Ein kleiner Überblick zur Geschichte des Akkordeons
Seit wann gibt es das Akkordeon? Wer war der Erfinder? Wie sahen die ersten Akkordeons überhaupt aus? Wann wurde das Tasten-Akkordeon erfunden? Und seit wann gibt es das Bassfeld mit Bass- und Akkordknöpfen, wie wir es heute benutzen?
Fragen über Fragen. Die meisten Akkordeonfans wissen die Antworten nicht. Wer ein bisschen gräbt, findet einige Darstellungen der Akkordeongeschichte. Leider sind diese sehr trocken zu lesen, weil das Bildmaterial fehlt. Für unseren Geschichtsüberblick half mir der Berliner Sammler Dieter Plinke: Aus seiner Privatsammlung stammen die meisten Instrumente, die wir zur Illustration fotografieren konnten.
1. Wann wurde das Akkordeon erfunden?
2. Wer hat das Akkordeon erfunden?
3. Wie sahen die frühen Akkordeons aus?
4. Seit wann gibt es Akkordeons mit allen Halbtönen?
5. Seit wann gibt es den modernen Standardbass?
6. Seit wann gibt es Akkordeons mit Pianotastatur?
7. 1920er-Jahre: Der Siegeszug des Piano-Akkordeons
8. 1960er-Jahre: Neue Designstudien
9. Aktuelle Trends im Akkordeondesign
1. Wann wurde das Akkordeon erfunden?
1829 wurde das erste Instrument namens „Accordion“ in Wien zum Patent angemeldet. Diesen Zeitpunkt setzen wir im Allgemeinen als Datum für die Erfindung des Akkordeons an. Die originale Patentschrift vermeldet:
Der Orgel- und Claviermacher Cyrill Demian und seine Söhne Carl und Guido, in Wien erhalten den 23. May 1829 ein 2jähriges Privilig auf die Erfindung eines neuen Instrumentes, A c c o r d i o n genannt, welches die Form eines kleinen Kästchens hat, worin Federn auf Stahlplatten samt einem Blasebalg angebracht sind, und zwar dergestalt, daß es bequem eingesteckt werden kann. Es können auf demselben Arien, Märsche &c., selbst von Nichtkennern der Musik, nach kurzer Übung, und die lieblichsten 3-, 4-, 5- und mehrtönigen Accorde nach der Einrichtung des Instrumentes gespielt werden.“
Mehr Info dazu auf wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Cyrill_Demian
2. Wer hat das Akkordeon erfunden?
Das Patent von 1829
Als Erfinder des Akkordeons gilt der Instrumentenbauer Cyrill Demian, der gemeinsam mit seinen Söhnen 1829 sein Accordion patentieren ließ.
Der Name Accordion geht zwar auf Demian zurück, aber das Instrument beruht auf weiteren, wichtigen Vorarbeiten, sodass in der Fachliteratur eine Zeit lang erbitterter Streit geführt wurde, wer denn der „wirkliche“ Erfinder des Akkordeons war. Wie meist im Instrumentenbau, wirkten die Entdeckungen verschiedener Erfinder zusammen und bauten aufeinander auf.
Wichtige Vorläufer:
Anton Haeckl baute seit 1818 die Physharmonika als Tasteninstrument, das erstmals einen Luftbalg durchschlagende Stimmzungen verwendete, wie sie seither auch im Akkordeonbau gebraucht werden. Die große Version war ein Standmodell und damit ein Vorläufer des Harmoniums; die kleine Version hat bereits Züge des Akkordeons.
Mehr Info auf wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Physharmonika
Vermutlich um 1822 baute der Klavierstimmer Christian F. L. Buschmann mit seiner Handäoline ein Stimmzungen-Instrument mit Blasebalg und damit einen wichtigen Vorläufer des Akkordeons. Buschmann ließ jedoch seine zahlreichen Erfindungen nicht selbst patentieren. Auch ist kein Exemplar seiner Arbeiten erhalten.
Mehr Info auf wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Friedrich_Ludwig_Buschmann
3. Wie sahen die frühen Akkordeons aus?
Das Instrument wurde auf den Arm gelegt. Die Klappen für die Melodietöne spielte man mit der rechten Hand, die Linke Hand bediente den Balg und die Spielhebel für die Begleitakkorde. Anfangs gab es nur die beiden Akkorde „Grundakkord“ und „Dominante“, die gemeinsam mit den zugehörigen Melodietönen erklangen.
Bitterböse Karikatur
Dass noch um 1860 häufig auf solchen „Arm-Harmonikas“ gespielt wurde, zeigt die Karikatur von H. Daumier, die im Dezember 1865 in einem Pariser Satire-Magazin veröffentlicht wurde:
Lärmende Musikmaschine
Die bissige Karikatur Daumiers trifft einen wunden Punkt. Das Akkordeon war in die traditionelle Musikszene eingebrochen als aufdringlicher Fremdling. Noch niemals vorher wurde Musik mit Hilfe einer industriell hergestellten „Maschine“ gespielt. Ein einzelner Spieler konnte dank der Begleitmechanik Musik spielen, die vorher drei Musiker benötigte; und durch die fertig verdrahteten Akkorde brauchten die Spieler nicht die geringste Ahnung von Musiklehre zu haben. Damit hatte das Akkordeon die Funktion eines Jobkillers, der geizigen Tanzstubenwirten sicher sehr gelegen kam: Man konnte das Trio entlassen und stattdessen einen einzigen Ziehharmonikaspieler einstellen. Dieser grobe Einbruch in das traditionelle Musikleben hing dem Akkordeon noch auf lange Zeit negativ nach.
4. Seit wann gibt es Akkordeons mit allen Halbtönen?
Alle Instrumente, die bis etwa 1860 gebaut wurden, waren →diatonisch, d.h. sie waren an eine jeweilige Tonart/Tonleiter gebunden. Außerdem waren sie →wechseltönig: Verschiedene Töne erklingen im Zudruck und im Aufzug. Anfangs hatten sie weder Tasten noch Knöpfe, sondern Spielhebelchen für die Melodietöne. Die Illustration zeigt ein Modell aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Solche Instrumente waren in Deutschland auch noch in den 1920er-Jahren gebräuchlich. Ich erinnere mich, auf einer historischen Illustration zum Film „Berlin – Sinfonie der Großstadt“ (1927) ein ähnliches Akkordeon gesehen zu haben.
Diatonische, wechseltönige (Knopf-)Harmonikas werden bis heute gebaut und sind vor allem in der Volksmusik und in der Volkstanz-Szene beliebt.
Wiener Mechanik
Auf der Industrieausstellung in München 1854 präsentierte der Wiener Fabrikant Matthäus Bauer ein Instrument, das „mit halben Tönen, versehen mit dreireihiger Maschine“ ausgestattet war. Dieses Instrument hatte also erstmals ein chromatisches Grifffeld mit drei Knopfreihen, die der heutigen Bb-Grifflage des chromatischen Knopfakkordeons entspricht.
Schrammelmusik
Die erfolgreichen Wiener Unterhaltungsmusiker Johann und Josef Schrammel nahmen 1890 dieses Instrument in ihr Ensemble auf, nachdem der langjährige Klarinettist der Gruppe verstorben war. Ein erstes Kompliment für das Akkordeon – denn dies war ja der Beweis, dass ein Akkordeonspieler mit der Klarinette und ihrem tragenden, ausdrucksvollen Ton mithalten konnte. Dass das Basswerk dieser Instrumente nach dem Wiener System noch sehr primitiv war, störte überhaupt nicht, da in der Quartettbesetzung nur die Melodieseite des Akkordeons gebraucht wurde. Seither ist die Bezeichnung „Schrammelharmonika“ für diese Wiener Instrumente geläufig, die noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts gebaut wurden.
5. Seit wann gibt es den modernen Standardbass?
Unsere moderne Bassmechanik mit Bass- und Akkordknöpfen (der „Standardbass“) wird auch als → Stradella-Bass bezeichnet. Wann dieser Bass erstmals gebaut wurde, ist nicht belegt.
Aus der Zeit um 1900 sind aber bereits zahllose chromatische Knopfakkordeons erhalten, die auf der linken Seite diesen modernen Standardbass haben.
Viele der Instrumente um 1900 sind bereits als 120-bässige Virtuoseninstrumente ausgelegt und in sehr prächtiger Ausstattung hergestellt.
6. Seit wann gibt es Akkordeons mit Pianotastatur?
Die heute verbreiteten Piano-Akkordeons wurden seit etwa 1910 angeboten und erlangten bald sehr große Popularität.
Frühe Vorläufer des modernen Piano-Akkordeons
Auch hier hatte es Vorläufer gegeben.
Der Wiener Harmonikamacher Matthäus Bauer (der auch das erste dreireihige chromatische Instrument vorstellte) fertigte um 1854 ein Harmonikainstrument mit Klaviertasten, offenbar blieb aber kein Exemplar seines Instrumentes erhalten.
Um 1860 wurden in Paris bereits verschiedene Handharmonikas mit Tasten hergestellt, so die Flutina von Busson und die Harmoniflute von Leon Marix. Sie erlangten kurzzeitige Popularität, konnten sich aber nicht auf Dauer behaupten.
Info darüber auf der website des Museo de la Musica in Urueña, Spanien https://funjdiaz.net/museo/ficha.php?id=148
7. 1920er-Jahre: Der Siegeszug des Piano-Akkordeons
In Deutschland war es die Firma HOHNER, die vielfältige und erfolgreiche Anstrengungen unternahm, dem Akkordeon ein neues, seriöses Image zu verleihen.
Heranbildung von Akkordeonlehrern, die Gründung von Akkordeonorchestern und die Beauftragung von Komponisten zur Schaffung von Akkordeonliteratur halfen dabei mit, dass das Akkordeon in den neuen kleinbürgerlichen Schichten populär wurde.
Jugendlicher Chic
Viele Schülerinstrumente aus den 1920er- und 1930er-Jahren gefallen in fröhlichem Art-Deko-Design, etwa die Hohner Student aus dieser Zeit.
Das Highlight: prächtige Bühneninstrumente
Für die Pianisten von Show-Orchestern gab es prachtvoll ausgestattete Bühneninstrumente. Verschwenderische Ausstattung mit Intarsien und Strass; und die Krönung vieler Instrumenten-Designs: die geschwungene Tastatur!
8. 1960er-Jahre: Neue Designstudien
Akkordeonbau zweigeteilt
Der Akkordeonbau in Deutschland war nach dem Zweiten Weltkrieg zweigeteilt: In der DDR wurden die zahlreichen Manufakturen zum VEB Klingenthaler Harmonikawerke zusammengelegt. Weltmeister hieß fortan die Marke aus Ostdeutschland. Im Westen gab die in Trossingen ansässige Firma Hohner den Ton an.
Neue Designstudien
Im Laufe der späten 1950er- und der 1960er-Jahre setzte sich ein neues, modernes Akkordeondesign durch. Vor allem die Firma HOHNER setzte neue Maßstäbe, u. a. mit ihrer schwarz-gold glänzenden Lucia.
Ein interessantes Design stellte auch die italienische Firma Settimio Soprani vor – dieses kleine Schülerinstrument mit 24 Bässen könnte vom Designer Colani entworfen worden sein.
9. Aktuelle Trends im Akkordeondesign
Neues Design für Kids
Etwas Neues hat die schwäbische Firma HOHNER ausprobiert: Das neue, einchörige Akkordeon „XS“ für kleine Kinder besteht fast ausschließlich aus Plastik. Die Tastatur ist auf verblüffende Art auf die Seitenfront verlegt. Auf jeden Fall ein Hingucker!
Zurück zum schlichten Design
Nach den spannenden Design-Experimenten früherer Jahrzehnte sind die Hersteller überwiegend zur klassisch schlichten Form zurückgekehrt.
Ein Trend, den es bei Konzertinstrumenten früher selten gab: Mehrere Hersteller geben ihren Instrumenten ein Naturholz-Design, z. B. die italienische Firma Brandoni.
Damit ist unsere kleine Akkordeon-Zeitreise beendet.
Ich hoffe, Ihr fandet sie informativ und unterhaltsam!
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