Dieser Artikel wurde zuletzt aktualisiert am 10.6. 2024
Die Bassregister am Akkordeon
Kennst du die Bassregister deines Akkordeons?
Die Bassregister am Akkordeon sind eine etwas geheimnisvolle Sache. Was die Melodieseite, also den Diskant betrifft, haben wir ja übersichtliche Grafiken auf den meisten Registerschaltern, an denen wir uns orientieren können, aber für die linke Hand, also für die Bassseite, sieht es anders aus. Mein Akkordeonbauer hat mir geholfen, für diesen Artikel alles Interessante zusammenzutragen.
Tatsächlich kenne ich nur wenige Akkordeonfans, die wirklich wissen, wie diese Register aufgebaut sind.
Manche Spieler:innen wählen nach Gefühl („Ich nehme lieber den Schalter oben“), – das ist gar nicht so schlecht.
Aber manche „wählen“ nur, indem sie aus Versehen einen Schalter drücken („Komisch, mein Akkordeon klingt heute irgendwie anders“).
Kaum zu glauben: Manche haben überhaupt noch nie bemerkt, dass auf der linken Seite überhaupt Klangwahlschalter sind.
Bassregister: Ahnungslos – namenlos
Ein wenig sind daran die Akkordeonbauer schuld. Sie geben den Klängen, die da zur Auswahl stehen, keine Namen und keine Bezeichnung mit. Bei mittelgroßen Akkordeons sind es meistens drei oder fünfgschwarze Schalter, einer der Schalter ist häufig mit einer Riffelung oder mit knubbeligen Punkten versehen, ansonsten sehen sie gleich aus, wir wissen also nur: „Oberer Schalter, mittlerer Schalter, unterer Schalter.“ (Oder entsprechend mehr) Was verbirgt sich dahinter? Ist das irgendwie genormt?
Keine Norm…
Ich verrate es mal gleich jetzt: Es gibt keine Norm. Es gibt lediglich bestimmte Vorlieben, die im Lauf der Jahrzehnte übrigens auch gewechselt haben.
Die einzige allgemeine Übereinkunft: Der mittlere Schalter, der oft mit einer Riffelung oder mit deutlich fühlbaren Punkten markiert ist, liefert das „volle Werk“: Diese Registrierung lässt also alles klingen, was der Fabrikant eingebaut hat. Die anderen Bassregister sind im Vergleich dazu sparsamer – entweder sind die Akkorde sanfter und weniger vordergründig, oder den Bässen wird etwas weggenommen.
Da du dich auf keine Norm verlassen kannst, musst du letztendlich selbst beginnen, deine Register zu checken. Dazu gibt es einige Tipps später in diesem Beitrag.
Hier stellen wir erste einmal das Grundlagenwissen über die Registrierung zusammen. Das wird es dir leichter machen, zu verstehen, was du bei den einzelnen Bassregistern hörst.
Register und Chöre (Melodieseite)
Lasst uns mal zum Vergleich auf die Melodieseite, also auf den Diskant schauen. Register setzen sich als Kombination aus den verschiedenen Chören zusammen, d.h. den verschiedenen Stimmzungen, die pro Taste bzw. pro Knopf zur Verfügung stehen. Für die Melodieseite („Diskantregister“) habe ich das ausführlich in einem eigenen Artikel gezeigt.
Am Diskant ordnen wir die Chöre – nach „tief, mittel, hoch“ – in Oktavlagen, den sogenannten Fußlagen, und wir können die jeweiligen Kombinationen auch grafisch kennzeichnen:
Für die Melodieseite („Diskantregister“) habe ich das ausführlich in einem eigenen Artikel gezeigt.
Bass, Beibass und Begleiter (Bassseite)
Auch auf der Bassseite klingen mehrere tiefe, mittlere und hohe Stimmzungen zusammen. Wir können sie aber nicht – wie beim Diskant – einfach durch verschiedene Fußlagen voneinander unterscheiden. Warum? Darauf kommen wir am Schluss des Beitrags.
Akkordeonbässe sind im allgemeinen 4- oder sogar 5-chörig, so entsteht die Klangkraft der Begleitung am Akkordeon. Im Akkordeonbau haben sich für die einzelnen Chöre die folgenden Bezeichnungen durchgesetzt:
Grafische Symbole
Analog zur Grafik der Diskantregister, kann man auch die Bass-Chöre grafisch bezeichnen. Schade: Nur sehr wenige Hersteller kennzeichnen die Registerschalter für den Bass mit diesen Symbolen. (Es würde die Orientierung sehr erleichtern.)
Eine der wenigen Marken, die ihren Instrumenten häufig Bezeichnungen für die Bassregister mitgibt, ist der italienische Hersteller Brandoni.
Die einzelnen Chöre
Die Stimmzungen des Beibasses sind kräftig, in tiefer Tenorlage.
Die Stimmzungen des eigentlichen Basses klingen ganz tief und sehr zart – soweit ich weiß, kann man sie niemals alleine schalten, weil sie nicht genug Kraft dafür haben. Aber sie fügen dem Bassklang die vollen, tiefen Schwingungen dazu.
Die Begleiter sind zunächst einmal für den Klang der Akkorde da. Sie werden aber außerdem dem Klang der Basstöne zugeschaltet, um den Bassklang zu ergänzen.
Selbst checken…!
Wie vorher schon gesagt: Da du dich auf keine Norm verlassen kannst, musst du letztendlich selbst beginnen, deine Register zu checken. Das Wissen über Bass, Beibass, und die verschiedenen Begleiter wird dir jetzt dabei helfen.
Ganz wichtig dabei: Nicht (wie sonst) Bässe und Akkorde gemeinsam oder durcheinander spielen. Du musst Basstöne und Akkorde getrennt voneinander untersuchen. Das könnte so ablaufen:
– „Bei Register A klingen die Basstöne angenehm tief und voll. Bei Register B klingen die Basstöne ebenfalls tief und voll, aber sie wirken näher, fetter und dreister, es scheint in der Mitte etwas dazuzukommen.“
– „Bei Register A klingen die Akkorde sparsam und sehr klar. Bei Register C klingen sie dagegen ganz hoch und irgendwie piepsend.“ Es schadet sicher nichts, Notizen zu machen, damit du den Überblick behältst.
Wenn du soviel herausbekommen hast, kannst du anschließend volle Begleitungen mit Bass und Akkord spielen und ausprobieren, wozu sie taugen. Welche Registrierung passt besser zu meinen Lieblings-Grooves? Welches Register taugt für Jazzballaden, in denen ich links Knopfkombinationen für voll klingende Akkorde verwende? Welches Register gefällt mir möglicherweise überhaupt nicht?
Zwei Beispiele:
Wenn du viel mit Kombinationsgriffen für Jazzballaden arbeitest, ist es wunderbar, volle Bässe zu haben(Bild), aber nur sehr sparsam und dunkle klingende Akkorde. Ältere Akkordeons haben so eine Registrierung nicht – moderne Instrumente bieten zum Glück meistens eine solche Kombination:
Viele Akkordeons bieten als sparsames Register einen eigenartigen Klang an: Der Bass fehlt, nur der Beibass klingt, und für die Akkorde ist nur die hohe Oktave zu hören. Das kannst du natürlich für special effects benutzen – für eine Begleitung taugt es eigentlich nie.
Wenn deine Wunsch–Kombi fehlt…
Ich habe eben meine Lieblingsregistrierung für Jazz Akkorde geschildert. Leider gibt es manche moderne, italienischen Akkordeons, die diese Registrierung nicht bereithalten. Dann muss dein Akkordeonbauer helfen! Er kann dir helfen zu klären, ob die Registerschalter sich so umbauen lassen, dass sie diese Kombination (oder eine andere Wunschkombination) schaltbar machen. Leider stellt sich manchmal heraus, dass es auf dem betreffenden Instrument doch nicht möglich ist – aber das kann nur der Akkordeonbauer klären.
Wenn der Bass zu mächtig dröhnt…
Manche Spieler•innen fragen mich: „Was kann ich tun, wenn die linke Akkordeonseite zu dominant klingt, so dass sich meine Melodie kaum dagegen durchsetzen kann?“
— Manchmal ist das Ungeschick der Spielenden schuld
Ehrlich gesagt: manchmal sind die Spieler:innen selbst schuld. Erscheint ihnen der Bass zu laut, geben sie der ganzen Musik immer weniger Luft – mit dem Resultat, dass dem Diskant die Luft ausgeht. Manchmal ist es bereits die Lösung, mit kräftigeren Atem zu spielen, dann bekommt die Melodie genug Luftstrom ab, um sich über die Bässe hinwegzusetzen. Man muss ja auch bedenken, dass die tiefen Töne der Bassseite sich eher (das ist eine rein physikalische Tatsache) kreisförmig ausbreiten, während die höheren Töne des Diskants eher von dir weg und auf das Publikum zu abstrahlen. Es könnte also eine gute Idee sein, mal jemandem vorzuspielen und die Zuhörer nach ihrem Eindruck zu fragen, oder auch eine Tonaufnahme zu machen.
Klingen Basstöne und Akkorde zu nah und zu schrill?
Oft ist es aber eine Sache der Registrierung. Vor allem im vollen Werk klingt das Basswerk bei manchen Instrumenten dröhnend und scheppernd wie eine Feuerwehrkapelle. Oft lässt die hohe Oktave die Begleitung zu schrill klingen, und manchmal gibt es keine Möglichkeit, sie abzuwählen. Dann kannst du es machen wie ich: bitte den Akkkordeonbauer, den Stimmstock mit der höchsten Oktave ganz einfach stillzulegen (einmal Tesafilm über die Austrittsöffungen des Stimmstockes, und dann wieder einbauen – das reicht)
Sanfter Klang durch Zeitungspapier
Oft hilft aber auch schon der alte Trick der Wiener Musiker: Man klebt von innen zwei Blatt Zeitungspapier auf den Deckel der Bassseite, zum Abdämpfen. Es darf natürlich nicht der Politikteil sein. In Wien durfte es „ausschließlich die Seite 7 der Kronenzeitung (sein), auf der täglich die vollbusigen Schönheiten zu sehen sind. Nur dadurch … bekäme der Handharmonikaton den anschmiegsamen, weichen Klang…“ (zit. nach Wagner, Das Akkordeon, Transit 1993, Seite 101) Mit etwas Geschick kannst du das sogar selbst tun, sonst hilft der Akkordeonmeister. Der Effekt ist bemerkenswert!
Die „unendliche Oktave“ – Wie hoch klingt mein Basston wirklich?
Bei dem Diskantregistern konnten wir die Klänge einfach nach den Fußlagen der Chöre ordnen. Auf der Bassseite geht das nicht – warum nicht? Weil die wahre Tonhöhe der Basstöne und Akkorde kunstvoll Wolf verschleiert ist.
Hier kommt eine Besonderheit ins Spiel, die manchmal als „unendliche Oktave“ bezeichnet wird. Ist euch schon einmal das folgende Rätsel aufgefallen:
Ich spiele auf den Basstönen die C-Dur-Tonleiter aufwärts. Ich höre, wie die Töne (ohne einen deutlichen Bruch oder Oktavsprung) immer höher steigen. Für das hohe „c“ benutze ich denselben Knopf, mit dem ich begonnen habe. Wie ist das möglich?
Das erinnert an die endlosen Treppen, die der Grafiker M.C. Escher als Augentäuschungs-Bilder erfunden hat. Wo liegt die Täuschung?
Denn natürlich muss es irgendwo auf dem Weg vom tiefen zum hohen C den Oktavsprung abwärts geben. Der Trick der Akkordeonbauer: Jeweils nur einer der Chöre springt an irgendeiner Stelle abwärts, während die anderen Chöre an diesem Punkt weiter aufwärts gehen. Also etwa nach diesem Prinzip:
Die Frage „Wie hoch genau klingt mein Basston“ kann also nie beantwortet werden. Die wahre Höhe des Basstones wurde von den Akkordeonbauern kunstvoll verschleiert.
Wie hoch klingt mein Akkord?
Die Tonhöhe des ersten Begleiters ist üblicherweise im Bereich f – e‘ (wobei auch das nicht genormt ist. Manche Hersteller legen die Akkorde ein wenig höher oder tiefer). Die Akkorde erklingen in entsprechenden Umkehrungen:
Wird der zweite Begleiter dazugeschaltet, kommen etwas abweichende Klänge dazu: denn ein Teil des Tonbereiches ist hier hoch oktaviert, so dass sich beispielsweise der Tonbereich cis‘ – c‘‘ ergibt. Der zweite Begleiter lässt die Akkorde also in höheren Umkehrungslagen erklingen:
Darf ich deine Rückmeldung bekommen?
Ich freue mich sehr, wenn du mir zum Schluss ein Feedback gibst, ob die Informationen aus diesem Artikel hilfreich für dich waren.
Klicke hier, damit ich deine Meinung erfahre:
Neues aus dem Blog von Peter M. Haas
Den newsticker-Blog kannst du abonnieren. Dann versäumst du keine Sonderangebote und keine neuen kostenfreien Noten-Downloads!
► Klicke hier, um den newsticker-Blog von Peter M. Haas regelmäßig zu erhalten