Ratgeber Bandoneonkauf – Tatsachen statt Gerüchte!
Dieser Beitrag wurde zuletzt aktualisiert am 30.1.2021
Einleitung: Im Wunderland der Fachbegriffe
Die Bandoneonszene ist klein und weit verstreut. Wer ein Bandoneon erwerben will, ist oft hilflos zwischen Fachbegriffen, Gerüchten, Thesen und Kaufangeboten für gebrauchte Instrumente, deren Qualität fraglich sein könnte.
Muss es wirklich ein „Arnold“ sein? Ist „Schwebeklang“ besser, oder lieber „wechseltönig“? Was hat es mit „142 Tönen“ und „144 Tönen“ auf sich? Und natürlich die konkrete Frage: Hier ist ein gebrauchtes Instrument – taugt es noch etwas? Ist es überhaupt ein Bandoneon, oder ist es ein anderes, verwandtes Instrument?
Dieser Artikel soll helfen, Licht in den Dschungel von Fragen, Fachbegriffen und Gerüchten zu bringen.
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1. Ist es wirklich ein Bandoneon?
Schnell gesagt: Etwa so wie im Bild sieht ein Bandoneon aus. Es gibt ähnlich aussehende Instrumente, die ebenfalls Knöpfe auf beiden Außenseiten haben, denn das Bandoneon entstand ursprünglich als Variation der sächsischen Konzertina. Eine hervorragende Anleitung, die verschiedenen Typen von Balginstrumenten zu unterscheiden gibt es hier auf der website der Leipziger Hochschule für Technik, Wissenschaft und Kunst.
2. Es ist ein Bandoneon – aber taugt es noch?
Auch hier gibt es gründliche Anleitung bei den Leipziger Freunden – Erklärungen und Videos leiten dich Schritt für Schritt durch den Prozess, das Instrument gründlich zu checken. Folge einfach diesem Link!
3. 144 und 142 Töne – was soll das?
Es gab und gibt viele abweichende Griffsysteme und Knopfbelegungen für das Bandoneon. Aber zwei Griffsysteme herrschen vor. Viele Thesen und Legenden ranken sich darum. Dabei ist es eigentlich ganz einfach. Wie kam es dazu?
142 Töne – das System vom Rhein
Das Bandoneon bekam seinen Namen vom Instrumentenhändler Heinrich Band in Krefeld. Er erweiterte um 1870 das Grifffeld der sächsischen Konzertina bis auf 142 Töne: Das ist die sogenannte „rheinische“ Tonlage. Diese Grifflage hatten auch die Instrumente, die nach Argentinien exportiert wurden. Dort wird bis heute ausschließlich dieser Griffplan verwendet. Darum bevorzugen ihn Tangospieler in aller Welt.
144 Töne – die Normierung aus Deutschland
In den 1920er-Jahren, als es mehrere konkurrierende Griffsysteme gab, legte der Deutsche Harmonikaverband eine neue Tastaturbelegung fest: das „deutsche Einheitsbandoneon“ mit 144 Tönen entstand.
Welches System ist besser?
Das kann man nicht eindeutig so sagen. Tango-Fans werden das 142-tönige Modell bevorzugen, weil es alle Argentinier benutzen. Zunächst einmal kann man jeden Tango aber genauso gut auch auf dem deutschen Knopfsystem spielen. Lediglich die äußeren Knöpfe für die tiefsten und die höchsten Töne sind auf verschiedene Art um den Kernbereich gruppiert. Der Kernbereich ist bei beiden Instrumenten fast 100% identisch.
Darum kann die Bandoneonschule „Bandoneon – die ersten Schritte“ von Peter M. Haas als einzige auf beiden Systemen benutzt werden, da sie nur diese Kernzone behandelt, in Übereinstimmung mit den kleinen Schülerinstrumenten, die meistens 108 Töne haben.
Eine knappe und sehr übersichtliche Gegenüberstellung der 142- und 144-tönigen Instrumente (mit Abbildungen der Knopffelder) gibt es hier auf der website bando-bando.de von Carsten Heveling in Wuppertal.
4. Schwebeklang?
Während in Argentinien das Bandoneon mit seiner eindringlichen, melancholischen Oktavstimmung zur „Königin des Tango“ wurde, war die Entwicklung in Deutschland anders. Das große Vorbild vieler Spieler wurde hier das moderne und vielseitige Akkordeon.
So wurden für den deutschen Markt zunehmend Instrumente hergestellt, die in Registrierung und Stimmzungenbau immer mehr den bewunderten Akkordeons glichen. Typische Eigenschaft dieser Instrumente: Ein Registerschalter ermöglicht die Zuschaltung des „Schwebeklanges“, den alle sicherlich aus der französischen Musette oder aus der Seemannsmusik kennen. Für Tangofans ein absolutes Grauen!
Zwar kann man diesen überzähligen Klang unter Umständen abklemmen, also stumm schalten, aber meistens haben solche Instrumente weitere Baueigenschaften, die den klaren Tangoklang beeinträchtigen. Da rate ich ab!
Ein Tipp – wenn dir nach der Beschreibung noch nicht klar ist, wie ein „Schwebeklang“ klingt, kannst du unter diesem Link das entsprechende Akkordeonregister („Tremolo“) anhören.
Und hier eine Klangprobe für das Oktavregister am Akkordeon, das etwas gröber ist als der Bandoneonklang, aber auf dieselbe Art registriert ist (eine tiefe und eine hohe Stimmzunge klingen zusammen).
5. Wechseltönig?
Wechseltönig – das heißt: verschiedene Töne beim Ziehen und beim Drücken des Balgs. Ist das gut? Die Frage kann man so nicht stellen – denn beim Bandoneon kommt man nicht darum herum! Beide gängigen Griffbelegungen, also 142 und 144 Töne, sind gleichermaßen durchgängig wechseltönig.
Das macht das Bandoneonspiel schwierig, vor allem für Anfänger, aber alle, die dieses Instrument lieben, müssen sich damit abfinden.
Zwar gab es gleichtönige Instrumentenentwürfe. Genial konstruiert ist der Griffplan des Kusserow-Bandoneons (1926). Dem chromatischen Knopfakkordeon entlehnt ist der gleichtönige Griffplan des Péguri-Systems, das ebenfalls in den 1920er Jahren entwickelt wurde. Aber beide spielen nur eine Außenseiterrolle.
6. Es muss Zink sein!
Eine der wilden Thesen: Die Stimmplatten müssen aus Zink sein, sonst taugt das Instrument nichts! Ein Instrumentenbauer, dem ich das erzählte, lachte nur.
Carsten Heveling, Bandoneon-Restaurateur in Wuppertal, schreibt mir dazu: „Aluminium und Zink haben unterschiedliche Eigenschaften, die auch den Klang und die Ansprache beeinflussen. Zink war in der Tangogeschichte beliebt, schon alleine durch das Gewicht. Laut zu spielen war in den Tanzsälen wichtig und das geht mit dem höheren Gewicht und der Schärfe des Zink leichter.
Gut gestimmte klassische Aluminiuminstrumente können einen wundervoll weichen, warm-breiten Ton schon im Pianissimo bringen. Ich mag sie sehr.“
7. Es muss ein „Arnold“-Bandoneon sein!
Das ist die gefährlichste These von allen. Es ist ein Stück Wahrheit darin: Die Instrumente, die der legendäre Alfred Arnold in Carlsfeld nach Argentinien exportierte, tragen das berühmte Markenzeichen des „doble A“ und sind von unerreichter Qualität.
Gleichzeitig baute Arnold aber auch Instrumente für den deutschen Markt – die waren teils weniger erlesen als die Exportmodelle. Es sind viele wunderbare, mit Schildpatt und Strass besetzte Schmuckstücke darunter, sie waren aber zunehmend auf das Vorbild des Akkordeons orientiert, rückten vom klaren Tango-Klang ab und präsentierten sich – den deutschen Musikern zuliebe – oft sogar im seemannstypischen Schwebeklang.
Ein solches „Arnold“ sollte es besser nicht sein, jedenfalls dann nicht, wenn du auf authentischen Tangoklang aus bist!
8. Optimal: schwarzes Kleid
Das ist übrigens ein recht gutes Indiz: Je verführerischer ein Instrument aus den 1930er- und 1940erjahren glänzt und mit buntem Strassbesatz prunkt, ist es sicher gut für die Ausstellungsvitrine, aber sicher schlecht als Instrument für den Tango-Fan. Denn im Tango blieb das Outfit angesagt, das die Instrumente der Jahrhundertwende hatten: Schwarz poliertes (oder bestenfalls noch natur lackiertes) Holz, so präsentiert sich die Königin des Tango am liebsten. Aber eines darf phantastisch bunt sein: Das Papier, aus dem die Falten des Balgs bestehen!
9. Hier gibt es weitere Info:
Alle Information zur Bandoneonschule „Bandoneon – die ersten Schritte“ und viele aktuelle Neuigkeiten aus der Musikszene gibt es auf den Bandoneon-Seiten von Peter M. Haas:
Sorgfältig zusammengetragene Informationen haben die Studenten der HTWK Leipzig auf ihrem „Digibord“ online gestellt.
Interessante Artikel zu vielen Einzelfragen findest du auf der Site „bando-bando-de“ des Wuppertaler Bandoneonrestaurateurs Carsten Heveling:
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